Man sagt, wenn man anfängt, seinem Passbild ähnlich zu sehen, wird es höchste Zeit, Urlaub zu machen. Als ich neulich meinen Fahrausweis vorzeigte, beugte sich der Kontrolleur tief über das Passbild, betrachtete es eingehend, schaute mir ins Gesicht, dann wieder auf den Pass und sagte: „Sind Sie in Ordnung?“

Ich beschloss, dass es Zeit für eine Auszeit war. Geld zum Verreisen war leider keines da, also beschlossen der wichtigste Mann in meinem Leben und ich gemeinsam in die Sauna zu fahren.

Das beste Saunaangebot in der Nähe von Münster soll in Amelsbühren sein. Zum Glück ist die Anbindung sehr gut. Der zweite Bus, in den wir umstiegen, brachte uns fast bis zum Zentrum von Amelsbühren, von wo aus es keine zwei Kilometer mehr zu Fuß bis zur Sauna waren.

Nachdem wir von der Landstraße, an deren Rand wir gewandert waren, einbogen, sahen wir vor uns das riesige Territorium der Saunaanlage. Wir kamen hinein wie in ein gutes Hotel, kauften Tageskarten bei der gutaussehenden und natürlich blonden Frau am Schalter, liehen uns Schlappen (für ihn) und einen Bademantel (für mich) und stürzten uns ins Vergnügen.

Der durchschnittliche Saunabesucher ist über 50 Jahre alt und hat einen BMI von über 30. Ich weiß nicht, warum es so ist. Jedenfalls hat es ausgereicht, um mich mit meinen 21 Jahren und meinem BMI von Irgendwas-um-die-20 als Außenseiterin fühlen zu lassen.  Die durchschnittliche Bekleidung in so einer Anstalt ist übrigens: nichts.

Ich war überwältigt von den Möglichkeiten, die mir dieses Erholungszentrum bot: Sauna, Whirpool, Dampfbäder, Badeteiche, Ruheräumlichkeiten, in denen man sich sehr leicht verlaufen kann. Um ehrlich zu sein, hätte ich mich ohne die kompetente Führung meines Freundes vermutlich wirklich verlaufen und man hätte mich nach zwei Wochen halbverhungert in den Dünen eines Erholungsstrandes gefunden.

Trotz meiner unglaublichen Komplexe, mich vor anderen Leuten zu entkleiden (es kostet mich sogar Überwindung allein zuhause nackt herumzulaufen), und trotz mehrerer verzweifelter Fluchtversuche, die darin endeten, dass ich mich verlief und mein Freund mich fand und einfing, kamen wir nach einer ausgiebigen Dusche doch in eine Sauna hinein. Im ersten Moment hatte ich das Gefühl, Watte zu atmen. Aber Watte wäre vermutlich sauerstoffhaltiger gewesen. Ich setzte mich auf eine Holzbank, ignorierte damenhaft elegant die Blicke zweier älterer Männer, mit einem deutlichen Verweis an meinen zwei Meter hohen Begleiter und schlug die Beine übereinander. Die warme Temperatur stellte ich als gar nicht mal so unangenehm heraus. Ich fühlte mich wohl.
Nach fünf Minuten dachte ich: „Läuft.“
Nach zehn Minuten dachte ich: „Oh Gott, ich laufe!“
Nach fünfzehn Minuten dachte ich: „Hoffentlich kann ich hinterher noch laufen.“

Ich konnte es noch. Zumindest bis zur Dusche. Das kalte Wasser, das dort an meinem Körper hinunterfloss, gab mir den Rest.

Dann aber, nach angemessener Erholungszeit, muss ich gestehen, dass ich immer mehr Freude am Prozess fand. Mein Freund musste immer weniger Gewalt anwenden, um mich dort zu behalten. Wir hatten sehr viel Spaß und versuchten auch die anderen Kurgäste aufzuheitern, indem wir abwechselnd in das Schwimmbad sprangen, uns im Whirpool nassspritzten und lachend über das ganze Gelände rannten. Sie zeigten sich nicht ganz so dankbar, wie wir gehofft hatten.

Ich war von diesem Tag restlos begeistert. Als wir uns gegen halb sieben umzogen und auscheckten, fühlte ich mich entspannt, ausgeglichen, ruhig und wohl. Mein Körper schwebte fast, und ich war gleichzeitig angeregt, wie auch angenehm erschöpft. Jetzt nur noch in ein Bett fallen lassen.

Mit diesem schönen Gefühl machten wir uns auf den Weg, zwei Kilometer die Landstraße entlang. Zu Fuß. Durch den Schnee. Ich hasse mein Leben.