Dies ist interessant für Pädagogen und Politiker. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist ein Vertrag zwischen allen Bundesländern und regelt den Jugendschutz im Rundfunk und im Internet. Der soll nun geändert werden. Wer genaue Informationen haben will, was dann anders wird, ist hier knapp und gut beraten.
In aller Kürze: Websites müssen ab jetzt gekennzeichnet werden, ab welchem Alter sie geeignet sind. Durch Filterprogramme werden bei aktivierten Filtern alle Websites ausgeblendet, für die das Kind noch nicht alt genug ist. Das zur Theorie. Nicht gekennzeichnete Seiten werden automatisch „ab 18“ gekennzeichnet, ebenso ausländische Seiten. Der Betreiber ist für die Inhalte der Seite verantwortlich und kann abgemahnt werden, wenn seine Inhalte seiner Alterskennzeichnung nicht entsprechen. Das bedeuetet, dass Seiten, auf denen der Autor nicht für die Inhalte verantwortlich ist, generell nur ab 18 freigeschaltet sein können. Dies gilt für Foren, Chats, Blogs mit Kommentarfunktion und alles Interaktive im Internet. (Lustig, nicht?)
Die technische Umsetzbarkeit dessen wurde bereits an vielen Stellen kritisiert. (z.B. von den Grünen und der Piratenpartei). Ich will darauf gar nicht mehr eingehen. Mir geht es hier ausschließlich um das Wichtigste aller Argumente, nämlich den Schutz von Kindern.
Als Psychologin setze ich mich viel mit der Entwicklung von Kindern und ihren Lernumgebungen auseinander. Heute sind Kinder aus dem Internet nicht wegzudenken. Weil das Phänomen aber so neu ist, stoßen wir natürlich auf eine Reihe von Problemen. Pornographie und Gewalt sind abrufbar, wie nie. Vorbei sind die Zeiten, als einer eine Videokassette in die Schule geschmuggelt hatte und der Held war. Heute ist alles einen Klick entfernt. Niemand widerspricht heutzutage, dass der kompetente Umgang mit den neuen Medien ein zentraler Lerninhalt sein muss.
Was passiert, wenn die Novelle des Jugendmedienschutz-Staatvertrags (*puh*) in Kraft tritt? Das Problem ist, dass niemand es weiß. Der JMStV ist sehr schwammig gehalten. Ich gehe davon aus, dass in den meisten Fällen gar nichts passiert. Die Filtersoftware, die es theoretisch auch heute schon gäbe, wird in den seltensten Fällen verwendet. Teils aus Bequemlichkeit, teils aus Überzeugung. Nur sehr besorgte Eltern werden sie installieren, und vermutlich wird sie an allen öffentlichen Computern vorhanden sein, zum Beispiel in Schulen oder Bibliotheken.
Was geben wir aber jenen Kindern, die an solchen Computern aufwachsen und das Internet kennen lernen?
Wir geben ihnen eine klassische eingeschränkte Lernumgebung. Das Internet, das werden für diese Kinder drei Seiten sein, nehmen wir an, die Toggo-Website, „Blinde Kuh“ und Kindernet. Auf diese Seiten werden sie gehen, unschuldigen Spaß haben und niemand wird sich Sorgen machen.
Der Knackpunkt: Sie haben dabei immer noch nichts darüber gelernt, wie man mit dem Internet umgeht. Sie wissen nicht, wie ein Medium kritisch zu betrachten ist. Sie wissen nicht, wo sie überall nach etwas suchen oder es lassen sollten. Sie wissen nicht, welche Menschen sich auf welchen Seiten herumtreiben. Sie haben nie gelernt, die Anonymität des Netzes kritisch zu bewerten und wissen nicht, was man tut, wenn man etwas begegnet, das einem zu viel ist.
Ein Kind in dieses Abbild des Internets zu setzen, ist vergleichbar damit, es bis zu seinem 18. Geburtstag nicht aus dem Haus zu lassen und es danach zum Studium zu schicken. Na gut, das ist vielleicht nicht genau vergleichbar. Aber die Idee kommt rüber.
Ich habe noch neulich davon gehört, dass viele amerikanische Schulen den Seuxalkundeunterricht ersetzt haben durch die sog. Enthaltsamkeitslehre. Hier wird den Schülern vermittelt, dass der einzige effektive Schutz vor Krankheiten und Schwangerschaft die absolute Enthaltsamkeit sei. Kondome würden häufig platzen ist nicht die einzige Lüge, durch die erreicht wird, Kinder von sexuellen Handlungen allgemein abzuschrecken.
Während ich es ok finde, dass Kinder und junge Jugendliche keinen Sex haben, sind die Natur, die Liebe und die Neugier aber eben oft anderer Meinung. Zu sexuellen Kontakten kommt es an diesen Schulen trotzdem. Aber da die Jugendlichen darauf überhaupt nicht vorbereitet sind, kommt es entsprechend häufig zu Schwangerschaften und Schlimmerem.
Die Parallele hierbei ist, dass Kinder von etwas fern gehalten werden, ohne zu lernen, damit umzugehen. Wenn also ein Kind doch einmal an einen Computer ohne Filter kommt, dann ist sein riskantes Verhalten umso höher. Das Schlimme ist, dass es dann nicht einmal Rat bei seinen Eltern suchen kann, denn die hätten es ja verboten. Also steht es allein und hilflos da.
Die meiner Meinung nach richtige Strategie, Kinder im Internet zu schützen, ist:
Gemeinsam mit dem Kind online gehen, ihm die Kindgerechten Seiten und Angebote zeigen und schauen, was es sonst so macht. Immer als Ansprechpartner da sein. Sich selbst mit dem Thema auseinander setzen und kompetent sein. Dem Kind zur rechten Zeit sexuelle Aufklärungsseiten zeigen, damit es seine Antworten nicht in Pornographie suchen muss. Vor allem aber: Dem Kind vertrauen. Je mehr wir unseren Kindern vertrauen, desto erwachsener und verantwortungsvoller können sie handeln.
Das gute ist, das Gesetz ist Abgeschmettert und somit hat doch noch die Vernunft gesiegt.
Das Problem ist, dass sich die Politiker darüber keine Gedanken machen, weil sie hilflos und unwissend sind. Irgendjemand hat sich diesen Vertrag ausgedacht und alle nicken nur aus Mangel an Alternativen und besseren Lösungen.
Ich frage mich nach wie vor wie die Politik die ganzen Familienhaushalte erreichen will, weil sie sich ja schließlich diese Software, die auch noch niemand gesehen hat, installieren sollen. Viele Eltern wird das abschrecken, weil sie vielleicht kompliziert ist und nicht einfach zu bedienen. Oder inwieweit können dann Eltern doch noch eingreifen, wenn es um vermeindlich verbotene Webseiten geht.
Ich finde die Aufklärung darüber sehr sehr dürftig vor dem Hintergrund, dass es ja ab Januar losgehen soll. Alles ganz schön peinlich. Politiker haben das Internet einfach nicht verstanden. Auch sollen ausländische Webseiten gesperrt werden. Was heißt denn ausländisch? in fremder Sprache, auch ausländischen Servern??? Ist Google dann auch gesperrt, wo beim 14-jähriger Sohn was für die Hausaufgaben recherchiert, weil es ja auch ausländischen Servern liegt?
Da nutze ich lieber eine richtige Kindersicherung, z.B. https://www.dolphinsecure.de
Nun ja, sicherlich ein schwieriges Thema, bei dem es sicherlich viele Meinungen geben kann. Ich persönlich meine, dass man aber Kinder irgendwie schützen muss. Ich denke nicht, dass alle Erwachsenen die Zeit haben, zusammen mit Ihren Kindern durchs Netz zu surfen. Oftmals beobachtet man ja auch, dass selbst erwachsene mit dem Internet überfordert sind und es auch nicht richtig nutzen, und somit auch ihren Kindern da nichts sinnvolles beibringen können! Ich denke nicht, dass gerell die ein oder andere Variante eine Lösung darstellt. Ob man nun auf dem Wege der Software oder seine Kinder persönlich überwacht / zusammen surft, denke ich nicht, dass da wahnsinnig viel bewegt wird. Denn das Internet ist ein wirklich gefährliches Medium, dass meiner Meinung nach, auch Änderungen in der Gesellschaft hervorgerufen hat. Es ist wirklich vieles im Internet zu sehen, dass vielleicht auf der einen Seite recht unterhaltend ist, aber auch auf der anderen Seite schon anwiedernd wirkt und man sich fragen muss, was eigentlich mit uns los ist!
Ich kann mich noch an einen Kommentar von Bruce Willis erinnern, der da in etwa sagte:
„Das Internet ist ein Ort der zur Schaustellung, Entblößung und im schlimmsten Fall sogar noch mehr…“
Ich selber muss gestehen, dass ich viel Zeit im Internet verplempert habe und eigentlich nicht viel Nützliches darin gefunden habe. Ich denke, wenn ich stattdessen all die Zeit Bücher gelesen hätte, dann wäre ich jetzt ein wenig intelligenter gewesen und hätte nicht die Fähigkeit verloren mich tiefgründiger mit Themen zu befassen.
*lach* Die Spinnen ja mit einem solchen Gesetz… die sollen lieber die Eltern in die Pflicht nehmen das die nen Vernünftigen Jugendschutzfilter Installieren oder Installieren lassen wenn se zu blöd sind, als solche Idiotischen Gesetze zu erlassen die am ende eh nicht wirklich richtig auf einhaltungen Kontrolliert werden können.
Aber naja… hauptsache man hat wieder was gemacht und kann sagen, wir haben doch nen Gesetz erlassen… auch wenns der größte Schwachsinn is den das Internet je gesehen hat!
Das ist kein Jugendschutz was die machen, das is das Internet Stören und die Grundbasis zu zerlegen.
Meine große Sorge waren hauptsächlich die usergenerierten Inhalte (Kommentare, Beiträge oder sogar Trackbacks). Jedoch scheint der JMStV das TMG nicht zu verschärfen.
„Der von Nutzern generierte Inhalt, wozu auch Kommentare gehören, kann klassifiziert werden, muss es jedoch nicht. Der Anbieter haftet schließlich auch nicht für derartige Inhalte. Er muss lediglich dafür Sorge tragen, dass er, sofern er Kenntnis von entsprechenden Verstößen erlangt, Abhilfe schafft.“
Quelle: https://www.internetworld.de/Nachrichten/Medien/Medien-Portale/Novelle-des-JMStV-sorgt-fuer-Blogsterben-Die-grosse-Angst-vorm-Jugendschutz/Kostenlose-Klassifizierung-fuer-Blogs-51196.html
Eine Ursache für solche bescheuerten Vorschläge ist halt auch die Unwissenheit der Verantwortlichen über die Thematik. Ich selber hatte mit 10 Jahren meinen 1. PC, mit 11 dann auch einen Inet-Anschluss. Meine Eltern haben mir dabei komplett freie Hand gelassen (gut, anno 1995 gab es auch wohl keine Filter, geschweige denn, dass meine Eltern so etwas überhaupt kannten/heute kennen).
Dass mir das geschadet hätte, wage ich zu bezweifeln. Gut, ich hab natürlich wie wahrscheinlich jeder Jugendliche nach bestimmten Dingen gesucht (muss ich wohl nicht weiter ausführen ^^). Aber warum denn nicht? In den Schulen wird doch immer eigenständiges Arbeiten gepriesen, wie sollen es denn Kinder lernen, wenn sie bei der heutigen Nachforschungsquelle Nr.1, dem Internet, komplett in Schienen gezwungen werden?
Und das mit den Foren und Chats generell ab 18, das ist ja wohl lächerlich. Wieviel ich mit 13 aus den Programmierforen und -Chats gezogen habe… Und die Matheforen, für die Hausaufgaben :).
Lächerlich.
Kann ich auch nur beipflichten: Aufklärung und Erziehung zu kritischem Denken und eigenverantwortlichem Handeln. In meiner Kinder- und Jugendzeit hat man versucht, mich durch „Tür zu halten“ vor unangenehmen Erfahrungen zu bewahren. Das hat absolut gar nicht geklappt und ich durfte mir alle möglichen wichtigen Kompetenzen, die man im Leben braucht, viel später mit viel Mühe selbst aneignen.
Diese Novellierung unterstützt nur Faulheit, die manche Eltern bei ihrer „Erziehung“ an den Tag legen. Und vermutlich auch gewisse Faulheiten von Politikern, die kein Geld mehr hergeben wollen für wichtiges Personal, Lehrmaterial usw.
Liebe Grüße und Danke für das interessante Blog*
Das is ein guter Beitrag und kann ich nur so unterschreiben! Meine Bachelorarbeit handelte auch von dem Thema der Medienkompetenz bei Jugendlichen. 🙂 Demnach kann ich da nur zustimmen. 🙂
Ich geb dir einfach mal recht.
Grüße,
Silberaugen
Na, ich hoffe das es am Ende noch zu einer Luftnummer avanciert, wie damals die Sache mit den Stoppschildern im Internet. Dennoch werden viele Blogger vorsichtshalber ihre Seiten löschen und viele Lücken in der Blogger-Szene hinterlassen.
Der Staat versteht nicht, dass Aufklärung besser ist als Verbote oder Sperrungen. Damit kippen sie nur mehr Öl ins Feuer :-/
P.S.: Schöner Beitrag!
Anstatt die Kinder mit einer entsprechenden Bildung auf ihre Zukunft vorzubereiten, werden Gesetze erlassen. Das ist einfacher und man kann sagen: „Ja wir tun was“. Leider tun unsere Politiker immer irgend was, das wir Regierten hinterher ausbaden müssen.
Hier ein Grundkonzept für ein neues Bildungssystem https://www.onlinetechniker.de/?q=node/23
Die so gebildeten Menschen ermöglichen diese Gesellschaft https://www.onlinetechniker.de/?q=node/28
und hier noch ein Plan, wie ein weitestgehend friedlicher Übergang von der alten zur neuen Gesellschaft möglich wird https://www.onlinetechniker.de/?q=node/302
Da ist es wieder – das alte Problem der Abgabe der Verantwortung…
Eigentlich sollten doch Eltern den Medienkonsum ihrer Kinder in irgendeiner Form kontrollieren und sie schrittweise zu einem selbstverantwortlichen Umgang damit anleiten. Das ist immer häufiger nicht der Fall – und das in vielen Lebensbereichen so. Im Zweifelsfall wird dann nach dem Staat gerufen, der soll dann die Verantwortung übernehmen und irgendwie alles regeln. Folge ist aber, dass die Objekte solcher Regelungen immer unmündiger werden und immer mehr Verantwortung aus der Hand geben wollen etc etc etc…
Wieder typisch Politiker: Reglementieren statt Aufklären –
Wenn die glauben würden es würde funktionieren, würden sie ein Gesetz erlassen, dass alle Beate-Uhse-Shops, etc. in den Fußgängerzonen für Kinder unter 18 unsichtbar sein müssen… warum glauben die, dass das im Internet funktioniert?
…und so wie früher die Video-Kassetten (und noch davor halt die entsprechenden Heftchen) heiß gehandelt wurden, werden dann wohl jetzt die entsprechenden Hacks und Infos über „ungeschützte“ Zugänge gehandelt, bzw. die von dort stammenden Downloads…
…und den Eltern klarmachen, dass das Internet genauso wenig wie der Fernseher als „Babysitter“ taugen…
Sehr guter Kommentar und eine gute Empfehlung.
Ich frage mich was sich die Politiker dabei denken. Wie es scheint gar nichts.
Mit verantwortlichen Politikern ist genauso, wie es zukünftigen Kindern sein wird. Sie hatten nie Kontakt oder nur eine eingeschränkte Sicht zum Internet und handeln jetzt total verkehrt.
Der letzte Absatz beschreibt den einzigen vernünftigen Ansatz!