Ich hatte ja bereits erwähnt, dass ich am 26.11. eine Veranstaltung mit dem Titel „Migranten und das deutsche Schulsystem“ geleitet habe, die der Wuppertaler Elternverein 3×3 im Rahmen der lokalen Bildungsmaßnahme des MIGELO-Projektes organisiert hat. Hier folgt nun die Auswertung des Abends.
Anwesend waren etwa 30 Leute, Repräsentanten von Schulen, Ämtern, Hilfsorganisationen, Eltern, Migrantenverbänden und ehemalige Schüler.
Erläuterung der Ausgangssituation
Kinder von Migranten in Schulen stehen einmal wieder im Zentrum einer breiten öffentlichen Diskussion. Sie gelten als sozial schwächere Gruppe, als schlechtere Schüler, als Kinder mit störendem Verhalten.
Weil bei der Suche nach Lösungen oft an einander vorbei geredet wird und die engagierten Kräfte, die tätig werden wollen, möglicherweise oft nicht die eigentlichen Ursachen der Probleme sehen, wollen wir ein Forum schaffen, auf dem alle Beteiligten des Konflikts miteinander diskutieren und die Antworten auf folgende Fragen finden können:
- An welchen entscheidenden Stellen nehmen die Probleme ihren Ursprung?
- Wie werden diese Probleme wahrgenommen, wie bewertet?
- Sprechen die Beteiligten überhaupt vom Selben, wenn sie nach Lösungen suchen?
- Wie vermittelt man Migranten effizient Wissen über das Schulsystem, Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten?
- Kann man Begegnungsstätten und Netzwerke schaffen, in denen deutsche und zugewanderte Eltern mit einander in Dialog stehen und arbeiten können?
Der Abend
Nach der Begrüßung und einer kurzen Einleitung präsentierte ich fünf Vorurteile, die sich gegen Kinder, bzw. gegen Eltern mit Migrationshintergrund richten. Ich bat die Anwesenden, jeweils zu zweit Stellung zu zweien der Vorurteile zu nennen und mögliche Gründe zu nennen. Jedes Vorurteil wurde auf einer einzelnen Karte begründet und eingesammelt. Im späteren Verlauf der Sitzung wurden die Karten ausgewertet und ließen sich in drei etwa gleich große Kategorien unterteilen: „Ich bin mit keiner der Aussagen einverstanden“, „Probleme hängen zusammen mit Mangel an Wissen / Sprache“ und „Probleme hängen zusammen mit Identität / Kultur“. Die letzteren beiden sind also die wesentlichen Kategorien, auf die wir uns konzentrieren müssen, wenn es um Prävention geht.
Die Leiterin des Wuppertaler Elternvereins 3×3 e.V. stellte kurz den Verein vor und nannte seine Aktivitäten. Sie umriss auch die Ziele der aktuellen Veranstaltung.
Es folgte der Beitrag von Andrej B., der selbst mit 13 Jahren nach Deutschland kam und in die Hauptschule kam. Er schilderte die Ereignisse, die dahin führten, dass er schließlich sein Abitur bekam und sein Studium abschließen konnte. Allgemeiner präsentierte er schematisch das deutsche Schulsystem und wies auf dessen Komplexität hin. Sein Hauptpunkt war, dass das deutsche Schulsystem Migranten besser vermittelt werden muss. Um die Durchlässigkeit des Schulsystems entbrannte im Anschluss an den Vortrag eine lebhafte Diskussion.
Natalie L. berichtete von ihren Erfahrungen als engagierte Mutter an einer deutschen Schule. Ungeachtet ihres Migrationshintergrundes ist sie Klassenpflegschaftsvorsitzende und Kassenwärtin des Fördervereins der Schule ihres Sohnes. Ihr Bericht beinhaltete viele Gründe, warum man sich als Elternteil aktiv an der Schule seines Kindes beteiligen sollte und wie man das bewerkstelligen kann.
Im Anschluss wurde in die Podiumsdiskussion übergeleitet. Nach einer Vorstellung der Teilnehmer wurden die Schuldirektorinnen, die Repräsentanten des Jugendamts und der RAA sowie der wissenschaftliche Leiter des MIGELO-Projekts danach befragt, wie sich Kinder von Migranten von deutschen Kindern unterschieden. Die wichtigen Punkte, die dabei genannt wurden, waren, dass man Migranten noch einmal unterteilen muss, dass Kinder natürlich oft Probleme mit der Sprache haben und oft darüber verschämt sind, sodass sie nicht nachfragen, wenn sie etwas nicht verstehen. Es wurde auch das Thema der Spätaussiedler angesprochen, die Probleme damit haben, als Deutsche zu gelten, obwohl sie schlecht deutsch sprechen.
Meine Mutter, die ich gezwungen habe, an der Diskussion teilzunehmen, wurde nach ihren Erfahrungen als nach Deutschland migrierte Mutter zweier Kinder befragt. Wie viele Elternteile im Raum wies sie darauf hin, dass eines der wichtigsten Probleme es sei, dass man nach der Ankunft oft andere Dinge im Kopf hat, als die Schule des Kindes. Man vertraut der Schule einfach, dass alles gut wird.
Ferner ging es um die Anlaufstellen, die es zurzeit für Migranteneltern gibt. Herr S. vom Jugendamt bedauerte die große Angst, die viele vor der Einmischung des Jugendamtes haben. So könne er seiner Hilfefunktion kaum nachkommen und könne nur dort eingreifen, wo ‚das Kind schon in den Brunnen gefallen ist‘.
Die Zuschauer konnten den Experten Fragen stellen, eine Mutter klärte einen ganz konkreten Fall aus der Schule ihres Sohnes. Zum Abschluss wurden alle Diskussionsteilnehmer aufgefordert, Wünsche zu formulieren, die sie an Vereine wie den Wuppertaler Elternverein für die Zukunft hätten. Darunter waren:
- Die Mobilisation von freiwilligen Helfern und Fachkräften, die inoffiziell und persönlich an Schulen gehen und Hilfe leisten
- Die Vernetzung von Beteiligten
- Die Beschaffung von Geldmitteln für Projekte
- Verstärkte Information über Hilfsorganisationen und das Schulsystem für Migranten in ihrer Sprache, möglichst schon bevor Probleme auftreten.
Ziel der Veranstaltung
Die Veranstaltung sollte die Basis schaffen für eine Reihe von mittel- und langfristigen Zielen schaffen:
- Die Informations- und Wissensvermittlung über das Schulsystem und die Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen für Eltern erleichtern
- Auftretende Konflikte zu vermindern und die Zusammenarbeit von Einheimischen und Zuwanderern, von Lehrern und Eltern zu verbessern
- Brücken zwischen Schulen und Eltern bauen
- Netzwerke und Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen, in denen russischsprachige und deutsche Familien sich kennen lernen und gemeinsam unter professioneller Begleitung Probleme in der Kindererziehung überwinden
Die Diskussion auf der Veranstaltung war lebhaft und es haben sich wesentliche Punkte herauskristallisiert, die in Zukunft zu ändern sind. Viele der Gäste haben angekündigt, in engeren Kontakt zu treten und an verschiedenen Projekten gemeinsam zu arbeiten. Insofern war die Veranstaltung ein voller Erfolg. Sie hat eine Vernetzung von Ideen und Konzepten initiiert und weiteren Handlungsbedarf gezielt aufgezeigt.
Handlungsempfehlungen
Sehr zentral am Abend stand die Forderung nach mehr Wissensvermittlung über das deutsche Schulsystem, Ämter und Hilfsorganisationen für Migranten. Eltern muss von Anfang an klar gemacht werden, dass eine aktive Teilhabe am Schulleben ihres Kindes ein wichtiger Teil seines Erfolgs ist. Diese Information sollte möglichst vielsprachig und großflächig zusammengestellt werden.
Außerdem freuen sich Schulen über ehrenamtliche Helfer, die sich mit ihrer Erfahrung ins Schulleben einbringen und es bereichern.
Sehr interessant! Ich bin erstaunt, dass man als junger Mensch wie du solche Ansichten und auch Urteilsvermögen haben kann.
Ich habe mich auch mal ein wenig mit diesem Thema auseinandergesetzt, aber ich denke, dass Migration/Integration eine endlose Diskussion ist. Ein Thema, wo man in vielen Ländern einfach nicht voran kommt, und manchmal auch Rückschritte macht.