Ich war heute Nacht wach und habe ungläubig die absurde Pressekonferenz verfolgt, in der Präsident Trump es irgendwie schaffte, jede Kleinigkeit falsch zu machen, die man von einem Präsidenten nach Ausschreitungen buchstäblicher Nazis und dem Tod einer jungen Frau durch Terrorismus erwartet. Auf Twitter fühlte ich mich als eine der vielen Schockierten, die beobachteten, wie der traditionelle “Anführer der freien Welt” die rechte Gewalt bis zu einem Punkt relativierte, an dem er buchstäbliche Nazis und den KKK verteidigte. Ich las die Tweets der Dankbarkeit an Trump von Ex-KKK-Großmeister Duke und Alt-Right-Gründer Spencer und dachte: Jetzt ist es soweit. Der Präsident hat seine Hundepfeife gegen eine Trompete getauscht. Er macht nicht mal mehr ein Geheimnis daraus. Die USA haben einen Nazi als Präsidenten.
Was aber das Schlimmste ist: Trump macht das nicht mal aus Überzeugung. Er ist kein überzeugter Nazi.
Wir reden davon, dass er “seine Maske hat fallen lassen”. Aber das setzt voraus, dass er in der Lage ist, ein kohärentes Wertesystem mit Absichten zu haben, das dann hinter einer Maske zu verstecken, um an die Macht zu kommen und diese Maske nun fallen lässt. Er hat in letzter Zeit aber bei jeder Gelegenheit bewiesen, dass er nicht in der Lage ist, ein solches Wertesystem aufzubauen und eine Absicht konzentriert zu verfolgen. Er ist impulsiv, gefühlsgesteuert und vor allem dominiert von seinem übergroßen, fragilen Ego. Er ändert seine geäußerten Überzeugungen so schnell, wie sein Publikum es von ihm verlangt.
Versteht mich nicht falsch, er ist durchaus aufrichtiger Rassist, Sexist und Klassist. Er glaubt daran, überlegene Gene zu haben, wie er in diversen Interviews seit den 90ern äußert. Aber hinter diesen Überzeugungen steht kein theoretisches Gebilde, keine Ideologie, an die er mit Herzen glaubt und für die er kämpfen würde. Er glaubt an die Überlegenheit des reichen, weißen Mannes, weil er eben einer ist. Sein Rassismus ist kein Produkt einer Gedankenwelt, sondern eher der Abwesenheit einer solchen. Er ist kein Männerrechtler, er brennt nicht für seinen Sexismus, er hat ihn einfach. Das ist der Unterschied zwischen Leuten, die White Supremacy Blogs schreiben und irgendwelche Genetik-Dinge fabulieren, und denen, die sie ab und an lesen und nicken, weil das alles recht einleuchtend erscheint.
Trump liebt keine Ideologie der Rassenüberlegenheit. Er liebt sich selbst und er klammert sich an alles und jeden, der ihn bestätigt und liebt. Im Moment sind das stramme Nazis. Also pflegt er sie, verteidigt sie, stellt sie ein und füttert sie, bis sie wieder eine relevante Bewegung der amerikanischen Gesellschaft sind, bis sie vielleicht an der Macht sind. Er muss kein strammer Nazi sein, um strammen Nazis die Tür zu öffnen.
Mein springender Punkt hier ist folgender. Ihr alle kennt Leute, die in irgendeinem Ausmaß sexistisch und rassistisch reden. Und es stört euch und es nervt euch, aber das sind Bekannte oder Familie und ihr wisst, dass diese Menschen in ihrem Herzen keine Nazis sind. Und das sind sie nicht. Aber das müssen sie eben nicht sein, um gefährlich zu sein! Klar, es ist sehr unwahrscheinlich, dass eure rassistische Tante Präsidentin eines mächtigen Landes wird. Aber das muss sie auch nicht werden. Denn solche Menschen haben Trump gewählt.
Menschen, die nicht über ihren Rassismus oder Sexismus nachdenken. Menschen, die sagen, dass es in einer Gesellschaft wichtigere Probleme gibt, als Diskriminierung. Darum sei es nicht zentral, wie der Kandidat über Frauen oder Schwarze redet, hauptsache er verschaffe Jobs. Darum wählen sie Menschen, die radikalen Kräften die Tür öffnen.
Das ist, warum wir immer wieder auf Sexismus und Rassismus hinweisen. Nicht weil wir in einer empfindlichen, verweichlichten Zeit leben, in der Politiker “nicht mehr echte Männer sein dürfen” oder “auf die Befindlichkeiten jeder Minderheit geachtet werden muss”. Sondern erstens, weil diese Dinge immer falsch sind, und zweitens, weil sie nie unwichtig sind.
Die USA sind ein mahnendes Beispiel. Wir, in einem Land, das so viele Jahre die NSU übersehen und genährt hat, das seinen täglichen Rassismus wie eine entzündete Wunde in Gesprächen meidet, müssen aufpassen. Immer. Denn auch, wenn wir das Gefühl haben, es gäbe keine echten Nazis oder sie könnten niemals an die Macht kommen, steht diese Möglichkeit immer an der nächsten Ecke und ist bereit uns – überrascht, mit offenen Mündern – zu überrollen.
Frau Weisband. Ich kann mir vorstellen, dass Sie Trump nicht mögen. Sicherlich ist Trump von sich überzeugt und hat durchaus narzistische Züge.
Sie sagen er ist ein Nazi, weil er sich selbst für überlegen hält.
Wie darf ich es aber verstehen , dass Sie auf einem Grünen Parteitreff in Münster Ihre Rede damit beginne „Über alle Bildungs und EInkommensschichten sind Menschen verunsichert…“…wegen der AFD. Sie gehen im Grundtenor davon aus, dass die AFD böse , radikal oder sonst etwas ist.
Meinen Sie mit der Aussage davon aus, dass Menschen aus unteren Einkommensschichten eher dumm oder rechtsradikal sind?
Frau Weisband, seien Sie konsequent in Ihrem Kampf gegen den Nationalsozialismus, legen Sie ein Foto und schreiben Sie einen Artikel über Ihre Landsleute aus dem Regiment Asow die sich an die Nazi-Ideologie und Lügen Sie nicht über die Ereignisse in Bucha, bereits dokumentiert nachgewiesen worden, dass es nicht das Russische Militär…
Danke für Deine Gedanken.
Es gibt leider viele Menschen, die so sind. Eigtl. geht es nur um Macht und Gier. Und dafür ist ihnen jedes Mittel recht.
Das findet man in der Politik genauso häufig wie in der Arbeit.
Ich frage mich da oft, was einem solch eine Position bringt – außer Verantwortung.
Wenn man natürlich kein gesundes Selbstbewußtsein hat, dann versucht man das wohl zu kompensieren.
Und da scheint jedes Mittel recht zu sein. Und die Verantwortung interessiert keinen. Leider !
Dazu fällt mir immer wieder ein wichtiger Tweet ein, den ich kurz nach der Wahl gelesen habe, und der das wiedergab was ich selbst dachte, aber nicht formulieren konnte: https://twitter.com/charles_gaba/status/796881726874251265
„Not all Trump supporters are racist, but all of them decided that racism isn’t a deal-breaker. End of story.“
Und genau so ist es, Trump kann man da sogar selbst mit einschließen. Die Millionen Wähler die ihn gewählt haben, sind natürlich nicht alle Nazis und Rassisten, aber sie haben ihn trotzdem gewählt, obwohl der Wahlkampf zu einem erheblichen Teil aus Rassismus und Ausgrenzung bestand. Trump selbst mag kein Nazi sein, aber er hat – möglicherweise aus reinem Opportunismus – sich dazu entschlossen einen Bannon-Breitbart-Wahlkampf zu führen (und der Erfolg gab ihm Recht). Damit hat der jetzige Präsident Trump sozusagen bewiesen, dass Rassismus tolerierbar ist.
Das schlimme daran ist die Wirkung auf die Nazis. Millionen Wähler und der wichtigste Mann im Staat haben gemeinsam das Statement gegeben: ein bisschen Rassismus und Nationalismus ist heute ziemlich okay. Macht das ruhig. Finden vielleicht nicht alle supi, aber es wird auch keiner einschreiten.
„Hier mögen zweifelhafte Leute mitmachen. Aber was de facto passiert, ist das GEGENTEIL von Faschismus. #EuroMaidan #Bürgerrechte“ – Marina Weisband auf Twitter am 22. Februar 2014
https://www.google.de/search?q=nazis+maidan&um=1&ie=UTF-8&hl=en&tbm=isch&source=og&sa=N&tab=wi&biw=1444&bih=814&gws_rd=cr&ei=oWKUWcTHHsPD6QTtv7uIDA
Der Unterschied war, dass beim #EuroMaidan der Kern des Protestes Stundenten waren, die für die Unterschrift eines europäischen Handelsvertrags waren. Es gab Zustrom und im Zuge dessen eine Auseinandersetzung verschiedener, auch radikaler Gruppen auf dem Maidan (hier klar zu nennen Anarchisten, Kommunisten und Nazis, die sich viel untereinander geprügelt haben). Ich distanziere mich von den Werten und Zielen rechter Gruppen und bin auch gern bereit zu einer Diskussion über die Ethik der Teilnahme an einer Bewegung, in der sie auch mitmachen. Sie stellten aber zu keinem Zeitpunkt die Mehrheit und nach der errungenen Neuwahl kamen sie nicht mal ins Parlament. Vor allem aber ist es falsch, einen Protest, der im Kern pro White Supremacy ist, zu vergleichen mit einem Protest, der im Kern gegen Korruption ist.
Komm, erzähl deine Märchen von der Basis-Demokratiebewegung jemand anderem. Schon zwei Wochen bevor du nach Kiew gefahren bist sahen wir die Videos, in denen „friedliche“ schwarzvermummte Demonstranten mit Ketten nach den Berkutpolizisten schlugen (die allerdings NICHT mit Gegengewalt reagierten, das war ein Unterschied wie Tag & Nacht z.B. zu G20 in Hamburg!).
Kein Mensch auf der Welt würde leugnen, dass ohne Nazi-Gewalt der Putsch in der Ukraine (und ja, es war ein Putsch! Wer sitzt jetzt vornedran? EIN OLIGARCH! Aber halt einer, den die Amis knorke finden!) niemals funktioniert hätte. Und dann gab’s ja noch die Prawy Sektor Leute, die in Polen zu Scharfschützen ausgebildet worden. Ich denke du kennst den Monitor-Beitrag zu den Schüssen am Maidan…
Ich gehe gern auf Widersprüchlichkeiten in meinem Handeln und Reden ein, kann mich aber aus Zeit- und Nervengründen nicht auf die Verschwörungstheorien zu einem angeblichen Putsch einlassen. Wer glaubt, dass ich von den Amis bezahlt werde und deshalb mit geschlossenen Augen und Ohren durch Kiew gerannt bin und hier Lügen erzähle, den kann ich an dieser Stelle eben nicht überzeugen. Das wäre auch gezieltes Derailing, zumal es hier um etwas Anderes geht.
Das Problem an der Sache ist: es ist unangenehm sich mit all der Diskriminierung auseinander zu setzen. Deswegen ist unsere rassistische Tante so. Sie hat es aufgegeben zu kritisieren und sich verbessern zu wollen. Vielleicht kann man da ansetzen? Den Menschen aufzeigen, dass genau dieses unangenehme am Ende befreiend wirken kann! Die Resultate müssen erlebbar werden. Und zwar für alle.
Schöner Artikel, gerne noch ausführlicher! Oh, und bitte mach die Schrift lesbarer, meine rassistische Tante kann so gar nicht aufgeklärt werden 😉
Danke für diese Deutlichkeit!
Gute Analyse !
Ich denke es liegt zu einem gewissen Teil in der Natur des Menschen das es diese Tendenz gibt sich selbst aufzuwerten indem andere abgewertet werden. Das kann dann der Rassis sein der abschätzig über andere Ethnien herzieht. Das kann der Religiöse Fanatiker sein der den „Ungläubigen“ kein Rechte auf Menschsein zugesteht. Es gibt da quasi unendlich viele Spielformen. Rassismus, Sexismus, Stalinismus, Faschismus usw sind doch alles nur Ideologien welche dazu da sind eben diese Abwertung anderer Menschen irgendwie zu begründen oder zu rechtfertigen.
Genau das tut ja Trump auch permanent, andere Menschen abwerten. Das tut er weil er sich selbst eben für den Besten und Größten hält. Damit schafft er aber auch ein kulturelles Umfeld in dem es völlig ok ist andere abzuwerten und genau das kommt den Nazis und Klu Klux Klan leuten usw natürlich sehr gelegen. Da sie ihren Rassismus nun offen ausleben können anstatt diesen versteckt außerhalb des öffentlichen Lebens zu praktizieren. Trump ist kein Nazi, aber er verkörpert eine Kultur in welches Menschenfeindlichkeit als völlig normal und aktzeptiert gilt und das stärkt die Nazis.
Nein, Diskriminierung ist kein Teil der Natur des Menschen, nicht mal ein gewisser. Andere Menschen zu diskriminieren wird gelehrt und erlernt. Man kann also etwas dagegen tun.