Der folgende Text war ursprünglich ein Thread auf twitter und ist ein Versuch, euch aus meiner sowjetisch-russischsprachig-ukrainisch-jüdischen Perspektive Russland zu erklären(TM). Vorausgeschickt sei, dass ich die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen habe und das bestimmt nur ein Blickwinkel ist.
Wir sehen derzeit viele Russen auf den Straßen russischer Städte in heldenhaftem Protest gegen den Krieg. Navalnyj sagte „Wenn wir mit unseren Körpern deren Gefängnisse verstopfen müssen, dann machen wir das eben“. Warum gibt es diese starke Bewegung und gleichzeitig so viele Russen, die Putins Krieg unterstützen? So viele, die sogar ihre Autos jetzt mit dem „Z“ dekorieren, um ihre Unterstützung zu bekunden? Was bewegt diese Menschen?
Putin hat diesen Krieg acht Jahre lang medial vorbereitet. Hauptsächlich über das Fernsehen, woher die meisten Russen noch immer ausschließlich ihre Nachrichten beziehen. Acht Jahre lang wurden Kiewer entmenschlicht, es wurde ein Genozid an russischsprachiger Bevölkerung herbeigedichtet und eine faschistische Regierung. Warum faschistisch? Weil das bei Russen ein klares und emotional eindeutiges Feindbild kodiert. Man ist gegen Faschismus. Das war Opa schon. Das ist absolut klar. Dessen bedient sich jetzt Putin, dessen eigener Staatsapparat zunehmend faschistische Züge trägt.
Aber diese Propaganda fällt auch auf fruchtbaren Boden. Ihr müsst betrachten: eigentlich seit dem 13. Jahrhundert lebten sämtliche Generationen in Russland in Knechtschaft. Sie wurden in Knechtschaft geboren und starben in Knechtschaft. Sei es das zaristische Regime mit der Leibeigenschaft oder der Stalinismus. Persönliche Würde war einfach kein Ding. Meine Mutter erzählte mir gestern: „Ich habe, als ich nach Deutschland gekommen bin, fünf Jahre gebraucht, um zum ersten Mal sowas wie Selbstwert zu fühlen. Davor hatte ich keine Vorstellung, was das ist.“ Was bedeutet das? In der Sowjetunion war der Mensch staub. Er wurde als Staub geboren. Im Geburtshaus der Mutter entnommen und fünf mal am Tag zum Füttern gebracht. Mütter lagen in 20-Bett-Zimmern. (Diese Erfahrung ist aus einem konkreten Kiewer Geburtshaus, falls jemand andere hat, bitte drunter schreiben.)
Menschen wurden behandelt wie Staub. Selbst in Geschäften und auf dem Markt meist unfreundlich. Sprichwort: „Der sowjetische Dienstleistungssektor ist unaufdringlich. Wenn Sie nicht wollen, können Sie zur Hölle fahren“. Ich habe die Nachwehen dessen noch mitbekommen, als die letzten sowjetisch eingestellten Verkäufer mich angeschnauzt haben, wenn ich zu lange Blumen betrachtet habe. Sie haben sich im freien Wettbewerb irgendwann nicht mehr gehalten. (Seltsam.)
Wo Menschen Staub waren, hielten sie sich schon immer an etwas, das größer war, als sie selbst. Die Idee Gottes. Die Idee des Imperiums. Die schiere Größe des Landes und seines Geistes, wo das eigene Leben klein und unbedeutend war. Darum war Glaube ein enorm wichtiges Ding. Dann kam die Revolution. Der Glaube wurde effektiv verboten. An seine Stelle trat der Glaube an Kommunismus. Eine Art Ersatzreligion. Manche folgten dem mit vollem Eifer. Manche spielten einfach mit („Wir tun so, als ob wir arbeiten und sie tun so, als ob sie uns bezahlen.“). Es war dennoch immer etwas, das größer war, als die Menschen selbst. Sie waren machtlos und es gab keine Kultur um eine individuelle Würde. Selbst in meiner Dissidentenfamilie musste man anerkennen, so schlecht die Dinge auch waren: unsere Wissenschaftler waren groß. Unsere Leute haben einen Menschen ins All gebracht. Unsere Kultur war voll von schönen Ritualen mit Blumen und allem.
Und dann kamen die 90er. Das System bracht zusammen zugunsten „westlicher Werte“. Und wie kamen diese Werte in Russland an? Erstmal als Raubbau am Land. Alles, was vorher staatlich war, wurde privatisiert. Und privatisiert hieß: zusammengeklaut. Menschen brachten unfassbare Bestechungssummen in die Kreditabteilungen der Banken und kauften alles, was bei drei nicht auf den Bäumen war. Einige (u.A. Putins Klüngel) wurden zu Milliardären. Andere blieben mit nichts zurück. Plötzlich war keine Gewissheit mehr im nächsten Tag da. Teilweise fielen Menschen buchstäblich in Ohnmacht vor Hunger. In meiner Familie gibt es eine ganze Sage darum, wie meine Oma einst auf dem Markt drei Pfirsiche ergatterte und ich sie mir tragisch über den zweijährigen Bauch verschmierte, statt ihre wertvollen Vitamine zu essen. Menschen, die nicht gut lebten, aber immerhin absolut sicher waren, wo sie in einem Jahr sein würden, waren plötzlich bar jeder Orientierung. Es war verwirrend und entmutigend und demütigend. Der Wohlstand des Westens war wenigen vorbehalten. Für die meisten war es ein tatsächlicher Zusammenbruch. Und Menschen, die ihren Wert daraus gezogen hatten, was größer war, als sie selbst, hatten plötzlich nichts mehr.
Von hier verstehen wir, warum die Kirche so schnell und so mächtig zurück kehrte. Warum Stalin neuerdings wieder so einen guten Ruf genießt. Warum Putin mit seinen imperialistischen Phantasien so gut bei den Leuten ankommt. Warum Menschen mitgehen, wenn er sagt: „Der Westen ist schwach und dekadent und wir holen uns jetzt unsere Völker nach Hause.“ Denn die wahre Tragik ist: das Land, das die Russen für ihren Bruder halten, hat es geschafft aus dieser Spirale von Knechtschaft auszubrechen. Die Ukrainer haben ihren Selbstwert wieder gefunden. Ihre Würde. Sie haben sich auf diesen westlichen Weg gemacht, in dem sie selbst bestimmen wollten, wer ihr Präsident ist und was er tut. („Er ist ein korrupter Präsident, aber er ist UNSER korrupter Präsident“). Sie wollten nicht in der Hauptstadt anrufen, wenn die Mülltonne im Hof kaputt gegangen ist, sondern haben sich selbst organisiert. Das war auf dem Maidan schon sehr stark zu sehen. Und natürlich hängt das auch damit zusammen, dass die Ukraine – gerade im Westen – historisch aus einer vollkommen anderen Tradition kommt. Das Kosakentum war schon immer selbstbestimmter. Aber es ändert nichts daran, dass die Ukraine ein lebendiges Beispiel dafür war, dass es auch anders gehen kann. Dass auch Slaven eine Demokratie haben können. Und das ist Putin gefährlich.
Die Menschen folgen ihm nicht, weil sie selbst keine Demokratie wollen. Sie folgen ihm, weil sie gar keine Vorstellung haben, was das ist. Tragisch ist die Situation für die Ukraine, aber auch für jene Russen, die das alles sehen, verstehen und trotzdem weitestgehend machtlos sind und zu tausenden auf den Protesten verhaftet werden.
Ich hoffe, das hat euch einen kleinen Einblick gegeben. Ich nehme gern Ergänzungen und Quellen als Bereicherung an. Und bitte pöbelt keine random Russen an.
Liebe alle,
Die USA haben eben auch eine Mitschuld an der Fehlentwicklung in Russland nach der Wende.
Denn die USA haben den Russland die Privatisierung der Staatsbetriebe empfohlen. Und da die
Staatsbetriebe Monopole waren, so wurden die Privatbetriebe dann auch Monopole. Und das
ist auch in den USA streng verpönt, da der sog. freie Markt Wettbewerb braucht und keine
Monopole.
der Heinz aus Wien und Tessin
Sie sollten sich in Grund und Boden schämen! „Putin hat den Krieg 8 Jahre medial vorbereitet.“ Kann man Opfer noch mehr verhöhnen? Nach dem illegalen Putsch 2014 sind tausende Menschen durch die Kiewer Junta wie in Odessa oder Mariupol ermordet wurden. Menschen wurden erschlagen, eingesperrt und verbrannt. Vor allem pro-russische Aktivisten, Linke, Gewerkschafter oder einfach nur russisch sprechende Mitbürger. Menschenrechtsverletzungen, die all den Menschen, die heute bei jedem Toten Krokodilstränen weinen, völlig egal waren. Hinrichtungen, Vergewaltigungen, Folter und so viele weitere Gräueltaten. Schwangere Frauen wurden erdrosselt. Es gibt dazu genügend Bilder und Videos.
Werte Frau Weisband, lassen Sie sich zugutehalten, dass Sie schon zu Beginn das Wesentliche eingestehen, nämlich dass Sie nach eigenem Zugeständnis nicht mit hinreichendem Wissen ausgestattet sind und Ihr Text einseitig ist. Darf man hier eigentlich „kritisch“ posten? Tatsächlich wäre ich verwundert, aber ich opfere einmal die Zeit eine Antwort zu formulieren. Ich werde mich natürlich bemühen die Formen zu bewahren, daher nenne ich den Präsidenten der Russischen Föderation auch nicht einfach „Putin“, sondern tituliere ihn wie jeden mir unbekannten Menschen mit „Herrn“, „Frau“ oder wie diejenige Person eben gegendert werden möchte.
Ihre einleitende These, „Herr Putin hätte den Krieg 8 Jahre lang medial vorbereitet“ entspricht nicht den Tatsachen. Das wissen Sie natürlich selbst auch und es gibt hunderte- wenn nicht tausende Belege dafür. Dies in Form von Texten, Bild- und Tonaufzeichnungen in mehr als 40 Sprachen. Nähere Ausführungen spare ich mir daher. Diese Aussage ist schlicht Agitation.
Und die Bürger Russlands leben natürlich auch nicht seit dem 13. Jahrhundert in Knechtschaft, das ist Unsinn.
Wenn man in Russland von so etwas wie Staatsgründung sprechen will, dann fand die Ende 1400 -also dem 15. Jahrhundert- unter Ivan III statt. Das „Russland“ als das wir heute das Gebiet und die Kultur kennen bzw. assoziieren, wurde durch Zar Peter I erst im 18. Jahrhundert begründet. Sie liegen also nur knapp 500 Jahre daneben. (kommt schon mal vor, sollte aber natürlich nicht…)
In dieser Zeit war Zar Peter der Große einer der modernsten Herrscher Europas und er gewann gegen die Schweden einen 150 Jahre währenden Krieg um die Herrschaft über die nordischen Länder. Er war seiner Zeit weit voraus, schaffte erstmalig Strukturen, Verwaltung und brachte Bildung zum Volk. Katharina und Alexander I ermöglichten erst das Europa, das wir heute kennen und es waren die Russen dieser Epoche, die Napoleon schlugen, nachdem er Russland überfallen und den Großteil Europas unterworfen hatte.
Danach herrschte tatsächlich erst die von Ihnen genannte Barbarei und Leibeigenschaft, die aber um 1856 durch Reformen langsam wieder gebrochen wurde und mit der Russ. Revolution 1917 endgültig endete.
Natürlich haben die beiden Weltkriege, die Stalin-Ära und dann das Sowjetreich tiefe Narben in die Menschen der gesamten Region gerissen aber bei welcher Nation / Bevölkerung in Europa war das in der Zeit anders? Nehmen Sie als Beispiel vor den Kriegen nur einmal Preußen oder gar das Königreich Bayern. Da gab es auch Leibeigenschaft und wenn Sie einmal J. Fernau lesen sollten, dann lege Ich Ihnen „Preußen Halleluja“ ans Herz. Und denken Sie bitte nicht, dass die 50-er Jahre in der neuen Bundesrepublik oder dem Rest Europas ein Höhepunkt der Entwicklung gewesen wären. Nicht umsonst hat die Jugend Ende der 60-er Jahre revoltiert. Sie kennen offenbar die Geschichte nicht so gut.
Auch in Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich waren in der Zeit Menschen „Staub“, vor allem die Frauen, die zusätzlich auch noch von der Kirche unterdrückt wurden.
Sie verstehen entweder nicht den Unterschied, um den es wirklich geht oder aber -und das nehme ich an denn ich glaube nicht dass sie dumm sind- sie singen hier wissentlich ein falsches Lied. Getreu dem Motto: „des Brot ich ess‘ des‘ Lied ich sing“. (übrigens eine klassische Preußische Tugend)
Die ganze politische oder wirtschaftstheoretische Diskussion ist Augenwischerei. Es geht nicht um „Kommunismus“, „Faschismus“, „Demokratie“, „Emanzipation“ oder andere „hehre Errungenschaften“. Es geht auch nicht um Religion(en) sondern schlicht und einfach um den Unterschied zwischen Arm und Reich.
Menschen die „arm“ sind, haben damals wie heute nichts zu melden und Menschen die „reich“ sind, die lassen eben die Puppen tanzen oder sie genießen in der selbst gewählten Anonymität die Vorteile Ihres Vermögens. Arme Menschen sind immer „unfrei“ und reiche Menschen haben -nicht immer aber meistens- die Freiheit das zu tun, was sie wollen. Das gilt egal wo auf der Welt Sie sich befinden.
Wie Sie dann so einfach behaupten, dass der Zusammenbruch in den 1990-er Jahren „zugunsten westlicher Werte“ geschah, ist eine weitere Klitterung der geschichtlichen Fakten. Die UDSSR brach aus sehr vielen Gründen zusammen, weil die Führungselite dem Führungsprozess sowie dem dazu nötigen Vertrauen in die Bürger und Unternehmern einfach gar nicht mächtig war.
Aber das schaffen die „westlichen Werte“ auch nicht, sie haben nur den Vorteil größerer materieller Kompensation durch Transferleistungen. (Brot und Spiele)
Fragen Sie heute mal Bürger aus Griechenland, Zypern, Polen oder diversen anderen armen Staaten sogar in der EU, was Ihnen „westliche Werte“ bedeuten. Selbst in der BRD glauben heute knapp ein Drittel der Bürger nicht mehr, dass sie an der Politik Teilhabe hätten oder von den Früchten Ihrer Arbeit leben und auch im Alter sorgenfrei existieren können. Haben Sie sich einmal die US-„Mittelschicht“ angesehen oder die Zuwanderer-bzw. Black-Communities? Die haben den „American Dream“ schon lange ausgeträumt.
Die von Ihnen angesprochenen „Oligarchen“ entstanden übrigens auch nicht unter Herrn Putin, wie sie höchst geschickt aber eben manipulativ und sachlich falsch zu unterstellen suchen, sondern die kamen schon unter den Herrn Gorbatschow und Jelzin. Letzterer wurde schamlos von Beratern in seinem Alkoholismus fehlgeleitet, wie wir wissen. Traurig daher eingestehen zu müssen, woher diese Berater kamen: -von uns, dem „Westen“. Und ihr Ziel -denn ihr Auftrag war es, die Rohstoffe des Riesenlandes den Oligarchen des Westens zugänglich zu machen, natürlich nicht zu Fairtrade Konditionen.
Genau diesen Prozess hat Herr Putin rigide gestoppt wodurch Milliarden-Investitionen verlorengingen, für die man ihn natürlich verantwortlich zu machen sucht.
Im Übrigen hat kein „Volk“ je in der Geschichte der Menschheit „seinen Selbstwert gefunden“ oder gar „seine Würde“. Das ist alberne Prosa und im Grunde blanker, dumpfer Nationalismus. Ein Volk -schon gar nicht eines freier Bürger- ist in der Lage gemeinschaftlich zu denken oder zu fühlen. Denn Denken und Fühlen kann nur „ein Mensch“ und das Maß aller Dinge ist „DER Mensch“, nicht „DAS Volk“ oder „DIE Patrioten“.
Dies ist das Erbe und die herausragende Errungenschaft aus (Neu)Humanismus und Aufklärung, die im Dialog gerade zwischen Preußen, Frankreich und Russland die Grundlagen für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung erschufen. Das sollte man daher auch Russland gar nicht erst abzusprechen versuchen. Russen verstehen sehr wohl was Demokratie ist und auch was Freiheit und Bildung bedeutet. Ich kenne und arbeite mit zu vielen von Ihnen gerne zusammen, als dass ich zulassen könnte Ihnen das abzusprechen.
Eine Nation ist daher das gelebte Ergebnis von Menschen, die sozialen Frienden untereinander halten und einen Grundkonsens von Werten haben. Wie diese Menschen sich „organisieren“, ob Sie ein „Territorium beanspruchen“ oder sich „formelle Gesetze“ geben und sich diesen mehrheitlich unterwerfen ist eine ganz andere Sache. Und wie dann diese Gemeinschaften miteinander auskommen ..na, wir wollen das nicht zu weit treiben.
Ich halte mich gerne an die Worte des Altkanzlers Schmidt: „Wenn wir uns überall einmischen wollen, wo himmelschreiendes Unrecht geschieht, dann riskieren wir den Dritten Weltkrieg.“ Wer sich also anmaßt, die ganze Bevölkerung eines Landes „verstehen zu können“, der maßt sich an, ein Gott zu sein. Das muss jedem Menschen klar sein, der solche Worte wählt.
Gott sei Dank!, fällt Putin nicht ein, den Alaska Verkauf an USA rückgängig zu machen . . . . . . .
Liebe Marina Weißband,
vielen vielen Danke für den interessanten Einblick in die russische, ukrainische, besser sowjetische Seele.
Liebe Marina Weissband,
Ich habe Sie bei Anne Will und auch vorher schon gehört, und bin beeindruckt von Ihrer Klarheit und Ihrer sehr bestimmten, „weiblichen“ Sichtweise auf das „männliche Recht des Stärkeren“-Paradigma. Ich stimme Ihnen in allem zu. Ja, wir brauchen sofort das komplette Embargo, ich habe Habeck schon dreimal geschrieben. Ja, Putin versteht nur diese Sprache, daher muss das durchgezogen werden. Hören Sie bitte nicht auf, sich zu äußern! Sie werden gehört! Machen Sie weiter, steter Tropfen höhlt den Stein ?.
Ihnen alles Gute ?
Liebe Marina, sehr eindrucksvoll geschrieben. Bin 1964 in der ehemaligen DDR geboren und aufgewachsen und hatte in meinem Leben immer schon mit Russen und Ukrainern zu tun und auch gehören sie zum Freundeskreis. Hoffnungsvoll stimmt mich, dass keiner auf den anderen böse ist oder über den anderen herzieht. Eine russische Freundin hilft zur Zeit z.B. aufopferungsvoll den ankommenden ukrainischen Flüchtlingen. Ich kann nur aus meinem Umfeld sprechen und es gibt bestimmt auch andere Fälle, leider.
Hoffnungsvoll stimmt mich auch, dass mir ein russischer Freund aus Sibirien am 26.02.2022 wortwörtlich schrieb:
„Was mit dem Krieg ist, ist sehr schlimm. Der verrückte Putin hat mein Heimatland blitzschnell in einen Agressor verwandelt. Russland hat ein souveränes Land angegriffen, wie die Nazis 1941. Das ist eine Tatsache. Putin ist Faschist. Punkt.“
Es gibt also auch viele Menschen in Russland, die sich damit auseinandersetzen und den Angriff verurteilen. Ich hoffe, dass sich diese Menschen organisieren können, wie wir im Jahr 1989. Wir hatten damals auch einen Punkt überschritten, wo wir keine Angst mehr hatten vor der Staatsmacht. Ich hatte damals eine 5-jährige Tochter und einen 1-jährigen Sohn. Wir wussten damals nicht wie es ausgeht, als wir montags zu den Demos gegangen sind und ob wir unsere Kinder wiedersehen, gerade im August und September 1989, wo noch nicht so viele dabei waren wie im Oktober und November.
Ich kann nur hoffen, dass sich viele finden werden, die das Unrecht erkennen und sich formieren.
Hallo Marina,
ich habe Dich heute bei Anne Will gesehen und war beeindruckt von Deinen Ideen und enttäuscht von allen anderen Teilnehmern. Du hast noch gute Ideen im Umgang mit Putin, die unsere Politiker offensichtlich nicht haben oder nie hatten. Deswegen wird es wahrscheinlich auch ein schlimmes Ende geben, wo es nur Verlierer gibt. Sanktionen sind im Moment sicherlich richtig, aber wir müssen die Tür immer noch etwas offen lassen, damit der Russe zurückkommen kann. Auch die Russen haben ein Recht auf ein lebenswertes Leben.
Ich habe Sie bei Anne Will gehört – wie kann eine neue Sicherheitsordnung aussehen?
Sehr geehrte Frau Weisband,
ich danke Ihnen für Ihre persönlichen Schilderungen, die es selbst Menschen wie mir, die familiär mit Russland verbunden aber dennoch sprachlos bzw. ohne klaren Standpunkt sind, ermöglichen, einen Zugang zur russischen Bevölkerung zu finden, der auf Verständigung (mit Teilen der Bevölkerung?) hinaus will, wenn auch nicht um jeden Preis, wenn ich das richtig einschätze. Da ich mich weitgehend allein in meinem tatsächlichen (nicht virtuellen) Umfeld fühle (auch wenn ich es nicht sein müsste, wenn ich mutiger auf Menschen zu gehen würde), ergreife ich den Stohhalm, den ich gerade in ihrem Artikel sehe und möchte aus meiner ganz persönlichen Perspektive etwas ergänzen und Ihnen vielleicht ein oder zwei Fragen stellen, auch wenn ich nicht damit rechne, eine Antwort zu erhalten (ich sollte mir dafür tatsächlich dann bald mal Menschen in meinem Umfeld suchen, mit denen ich ins Gespräch kommen kann). Ich hoffe, dies stellt keinen Missbrauch dieser Kommentarfunktion dar. Ich kommentiere nur äußerst selten belanglose Kleinigkeiten auf Facebook.
Meine Mutter ist in einem Dorf im Tambower Oblast geboren und hat es aus mir bis heute nicht klaren Beweggründen geschafft, als Studentin nach Leipzig in die DDR zu kommen. Sie kommt aus einer komplett unpolitischen Familie, ist meine Einschätzung. Klar ist, dass sie allezeit um ihr Überleben gekämpft haben und dabei sehr viel Würdeloses geschehen ist. Ob sie zu den Geknechteten gehört, von denen Sie sprechen, die ihre Würde noch nicht entdeckt haben, fällt mir etwas schwer zu sagen, auch wenn ich verstehe, was Sie damit vielleicht andeuten wollen. Woher nimmt ein Mensch, eine Gemeinschaft (!) die Kraft, die Inspiration, die Hoffnung, dass ein würdevolles Leben ein besseres, vielleicht ein wahreres Leben ist? Wie sieht Würde überhaupt aus in einem Alltag der Geknechteten (frage ich etwas zugespitzt)? Haben sie keine Würde? … Das sind Fragen, die ich mir tatsächlich stelle und nicht rhetorisch oder zynisch oder sonst wie gemeint sind!
Ich bin 1988 in der ehem. DDR geboren, meine Mutter hat sich für kurze Zeit in die Ehe mit einem unpolitischen DDR-Bürger geflüchtet, den sie aus Mitleid geheiratet hat und vielleicht, weil sie nicht zurück wollte, obwohl sie damals schon den Widerstand fast ihrer ganzen Familie zu spüren bekam, dass sie sie dort zurück lasse in ihrem Elend. Die Ehe war schnell geschieden, mein Kontakt zu Russland von Anfang an schwierig, weil ich die Sprache meiner Mutter nicht als selbstverständlichen Teil von mir gelernt hab. Etwas Russisch verstehe ich jetzt, aber es hat mir nie gereicht, um mich auf ein tiefsinniges Gespräch einzulassen. Also habe ich mir nie erlaubt, über meine Familie in Russland zu urteilen, oder mich als Teil ihres Überlebenskampfes zu fühlen – immerhin waren wir ab und zu dort im Sommer, im Dorf und der Kleinstadt, wo meine direkten Verwandten leben.
Ich selbst kämpfe seit Langem mit depressiven Phasen und verfüge definitiv über ein schwach ausgeprägtes „Selbstwertgefühl“ – wenn ich nicht die psychologische, sondern die transgenerationale Linie aus Ihrer Argumentation aufnehme, kann ich das auf die vielen Depressiven in meiner russischen Familie zurück führen – von denen meine Mutter mir vor Kurzem berichtete, nachdem sie sich selbst längere Zeit in therapeutische Behandlung begeben hat und jetzt langsam versucht, über sowas wie Selbstwert zu sprechen. Diesen Luxus, oder die Freiheit, über sowas zu sprechen bzw. sich in seiner Schwäche zeigen zu können, das ist etwas, das hat meine Familie in Russland definitiv nicht. Was ich bei ihnen gesehen habe, die Male, als ich dort war (zuletzt im Sommer vor der Pandemie), war der Kampf, sich ein „normales Leben“ aufzubauen – vielleicht ein würdevolles (?) – füreinander da zu sein, die eigene Zahnarztpraxis nicht aufzugeben; ein eigenes Geschäft aufzubauen, weil es sowieso keine Arbeitsplätze gibt bzw. keine Rechte als Arbeitnehmer (oder keine Ahnung, wie man sich wehren kann); einen Scheiß-Job auszuüben, damit man die eigene Tochter verpflegen kann; sowieso wohnen viele mit mehreren Generationen auf engem Raum – und wir wissen vielleicht seit dem Corona-Lockdown ein bisschen, was das bedeutet, mit der eigenen Familie längere Zeit auf engem Raum zu leben – wie lebt man da ein würdevolles Leben? Mein Onkel hat sich hoch verschuldet, damit sein Sohn eine ansehnliche, sozial akzeptable Hochzeit feiern konnte. Wenn ich (meist aus der Ferne) gesehen habe, wie meine Familie versucht, sich ein Leben nach ihren Vorstellungen und Möglichkeiten aufzubauen, habe ich darin nicht den Versuch gesehen, das Leben eines Knechtes fortzusetzen. Über die Kirche haben sie alle geschimpft und finden mich, die ich seit einigen Jahren wirklich Kraft im Glauben finde und erst von daher eine Idee davon bekomme, warum und woher der Mensch eine Würde haben könnte, eher seltsam. Sie gehören also vielleicht eher in die diffuse Kategorie von Nationalstolzen… ob sie sich deswegen wie Staub fühlen, weiß ich nicht. Ich weiß ehrlich nicht, woher sie unter ihren Lebensbedingungen überhaupt die Motivation bekommen haben, etwas für sich und ihre Familien und ihren bescheidenen beruflichen Fortschritt zu unternehmen, während ich hier mittlerweile in Hamburg (auch vielleicht unbewusst davon gelaufen vor den vielen Enttäuschten in Ostdeutschland) mit allem und jedem hadere und nicht voran komme, weil ich vor jedem, der sich für einen Wert einsetzt und kämpft Angst habe, dass man wieder nur einer weiteren Lüge auf den Leim geht. … ich weiß nicht, ob das das Erbe von unpolitischen Familientraditionen ist, aus denen ich stamme, dass es mir so schwer fällt, mich daraus zu lösen, bei aller Bewunderung, die ich für hoffnungsvolle Worte und Botschaften habe, die auch Sie in Ihrem Beitrag bezüglich einiger Bevölkerungsteile in der Ukraine benannt haben. Es scheint mit sehr viel Scham für dieses Erbe verbunden zu sein – und gleichzeitig sehe ich einfach nicht ein, dass meine Familie nicht auch ihre Art von moralischem Verhalten versucht zu pflegen, auch wenn es keinen Einfluss darauf hat, was in Moskau passiert….
Ich merke gerade, es ist ein viel zu nachdenklicher Beitrag meinerseits hier in dieser Situation des laufenden Krieges. Vielleicht kann man ihn als „Zeichen“ dafür lesen, wie weit der gedankliche Weg für russische Staatsbürger wie meine Familie wäre, von dem, was ich oder wir hier versuchen unter Menschenwürde zu verstehen und dem, was sie kennen und welchem gesellschaftlichen und politischen Modell sie sich anschließen könnten usw. Ich weiß, dass ich in meinem ganzen Leben nicht dazu beigetragen habe, dass sich die Verhältnisse für meine Familie ändern. Vielleicht haben die Menschen in der Ukraine auch wirklich mehr zivilgesellschaftliche Unterstützung erhalten, ich weiß es nicht, dass sie sich anders entwickeln konnten und wollten und wer weiß, wie jetzt der Weg für sie weiter geht. Wie der Weg für die russische Bevölkerung aussehen wird, wenn sie sich nicht aus ihren jahrhundertealten Fesseln lösen – wie man es sagen könnte und die ich gerade versucht hab, ganz grob mit einigen Familieneindrücken mit Leben zu füllen – ist indes eher klar: es wird sehr schlimm und von Demokratie kann keine Rede sein – schlimmsten Falls wird es nicht nur ein Überlebenskampf in ökonomischer Hinsicht, sondern, wenn der Deal mit den Tschetschenen brechen sollte, wird es auch in anderer Hinsicht brutal.
Bitte entschuldigen Sie meine düsteren Worte am Ende – wenigstens weiß ich, dass ich in diesen Tagen nicht die einzige bin, die so schwarz sieht für Russland. Und da dies ein Beitrag von Ihnen zu Russland ist, ist es hoffentlich nicht ganz verwerflich, dass ich das Leid der ukrainischen Bevölkerung hier nicht berücksichtigt habe. Es ist selbstverständlich eine Katastrophe und ich hoffe sehr, dass die EU und Deutschland das schmale „Zeitfenster“ nutzen, um auf kreative Lösungen zum Schutze der Bevölkerung und Verteidigung der Souveränität des ukrainischen Staates zu kommen und sie umzusetzen!
Herzlichen Dank und alles Gute aus Hamburg.
Liebe KathArina, Ihre Worte und Ihre Beschreibung haben mich ähnlich berührt wie die von Marina Weisband. Ich habe im Schulbereich so viel mit Menschen zu tun, die aus dem Osten unserer gemeinsamen Welt kommen. Ich komme als Lehrer in ihre Häuser, ziehe vorher die Schuhe aus, bekomme gleich einen Kaffee und einen Tee, manchmal auch russische Spezialitäten, und diese Gastfreundschaft kennen ich anderswo kaum mehr, auch nicht diese Wertschätzung. Mir tut es unendlich weh, was da gerade in der Ukraine passiert, auch wenn ich es als ausgebildeter Historiker mit Schwerpunkt Osteuropäischer Geschichte vielleicht eher als andere geahnt habe. Ich erlebe hautnah seit drei Wochen eine andere Welt in diesen Häusern, wo nur russisches Fernsehen läuft. Es ist eine Mischung aus Sprachlosigkeit, Scham und mitunter auch Provokation. Man will aus mir, mit dem man sich immer gut verstanden hat, eine Meinung hervorlocken. Eine Mutter, selbst mit ihrer Familie früher „Flüchtling“ meinte letzte Woche zu mir: Wissen Sie eigentlich, wie viele Wirtschaftsflüchtlinge aus der Ukraine nun aus der Ukraine in dieses Land kommen? Da sind viele Kriminelle dabei.“ Ich war erst sprachlos, habe aber dann als gläubiger Christ recht schnell geantwortet, dass mir die Herkunft von Menschen, die fliehen egal sei und ich auch nicht dazu neige, neuen Mitbürgern mit Misstrauen zu begegnen. Die Mutter lebt in Münster in einem Palast, der Mann ist ein erfolgreicher Immobilienkaufmann. Dass ausgerechnet von dieser Seite dieses üble wirtschaftliche Argument kam, hat mich niedergeschlagen. Aber im nachhinein wurde mir klar, wie viele ausgebildete Menschen aus der früheren Sowjetunion hier nach Deutschland kamen und dann völlig frustriert putzen gehen mussten. Und unabhängig von der Bildung, wie viele waren es, die von Deutschland über Jahrzehnte als Fremde betrachtet wurden – Menschen, mit denen kein Dialog stattfand. Auch das ist Tatsache. Marina hat in ihrem Beitrag aber nach meiner bescheidenen Einschätzung das wiedergegeben, was in der Tat auch in weiten Phasen der russischen Geschichte die Mentalität geprägt hat. Niemand anders als Tolstoi hat das mit seiner Geschichte „Herr und Knecht“ bereits sehr gut dargestellt, und ich sehe auch in der Gegenwart, dass viele russischstämmige Mitbürger das Bildungssystem in Deutschland als sehr lax und schlecht empfinden, weil ihnen da die Hierarchie fehlt. Ich habe diesbezüglich schon zig Diskussionen gehabt. Gerne würde ich aber trotz allem nun auch russischsprachige Anzeigen in Tageszeitungen sehen, dass wir unabhängig davon, was gewesen ist, was misslungen ist in der Integration, nun alle als Menschen agieren und auch deswegen die 2,5 Millionen russischstämmigen Mitbürgerinnen und Mitbürger brauchen, um es endlich besser zu machen für eine Weile und auf Dauer. Das wünsche ich mir.
Lieber Herr Hanewinkel, ich habe mich über Ihre Reaktion gefreut! Und für Ihre Hinweise zum Beispiel auf Tolstoi bin ich dankbar. Mir wird langsam bewusst, dass ich mir bisher so gut wie keine solche Gedanken über russische Mentalität oder andere historisch-kulturell bedingte/beeinflusste Charakteristika bestimmter Bevölkerungsgruppen bzw. gesellschaftlich-institutioneller Systeme in Russland gemacht habe – genauso wie ich mir kaum zutraue, solche Gedanken über so etwas wie eine deutsche Mentalität zu machen. Ich hatte zu viel Angst vor stereotypem Denken. Ich denke, hier sollte ich lernen, meine Angst zu überwinden und den Unterschied zwischen Stereotypisierung und bedachter Analyse zu erkennen! Aktuell ist die Dynamik in jeglicher Hinsicht aber sicherlich stark vom Krieg und den dadurch wachgerufenen „bösen Geistern“ auf allen Seiten geprägt. Und Desinformation ist eine Herausforderung für unser aller Zusammenleben, da sie eine radikalisierende Wirkung auf sich in vielerlei Hinsicht schlecht integriert fühlende/schlecht integrierte Menschen zu haben scheint… alles Gute für Sie und Ihre Lehrtätigkeit! Viele Grüße!
Liebe Frau Weisband,
Ihr Beitrag hat mich sehr angesprochen und meine Einschätzungen bestätigt. Mich macht der Rückhalt von Putins Politik in immer noch weiten Teilen der russischen Bevölkerung ratlos. Sie bieten hier einen gute Erklärungsansätze dafür. Ich kann die Ängste und Sorgen der ,,kleinen Leute“ nachvollziehen, habe ich doch 28 Jahre meines Lebens in der DDR verbracht. Unser Leben war ein Lavieren zwischen Arrangieren mit dem System, Protest in der Nische und ansonsten das Bemühen in der Familie ein glückliches Leben zu führen.
Liebe Frau Weisband,
danke für Ihre fundierte Analyse bzw. plaudern aus dem Familiennähkästchen mit politischem Hintergrund!
Mein Bruder pflegt immer ein altes Sprichwort zu zitieren: „Ob der Alkoholismus zur Geschichte Russlands geführt hat, oder umgekehrt, ist nicht zu sagen“
Es ist irgendwie dieses Henne-Ei-Prinzip, das das Problem sehr gut beschreibt. Ich war in den 2000er Jahren in St. Petersburg zum Arbeiten und habe dort viele tolle Menschen kennengelernt. Es gab eine Aufbruchsstimmung und bereits alles zu kaufen (für mich)… aber in der Eremitage sind noch immer in jedem Raum alte Menschen als ehrenamtliche Aufpasser:innen gesessen, weil sie zu Hause erfroren wären – und in der Eremitage war es eingeheizt. Wie gesagt – das Zitat, das mein Bruder zur Geschichte Russlands in den Mund nimmt, passt wirklich gut, fürchte ich.
sehr sinnvoll, alte Prägungen zu hinterfragen, DANKE!
Selbstverständlich muss man auch alte Prägungen des WESTLICHEN Denkstils hinterfragen,
Kolonialismus, Imperialismus, naturzerstörender Lebensstil/Wachstumsdenken etc. pp.
Einen interessanten Einblick zu diesem – erweiterten – Thema liefert gerade die NZZ:
“
Amia Srinivasan: Beruht auch scheinbar einvernehmlicher Sex im Prinzip auf männlichem Zwang?
Viele Dinge, die Frauen zu wollen meinen, wollen sie womöglich doch nicht wirklich: Die Philosophin Amia Srinivasan denkt in Essays zum «Feminismus im 21. Jahrhundert» über strukturelle Prägungen nach
“
Claudia Mäder
09.03.2022, 05.30 Uhr
https://www.nzz.ch/feuilleton/frausein-und-feminismus-heute-erfuellen-wir-nur-erwartungen-ld.1672954?mktcid=nled&mktcval=124&kid=nma_2022-3-9&ga=1&trco=
mitakuye oyasin!
Eine der besten Analysen über die russische Gesellschaft, die ich bisher gelesen habe! Danke! Ich verbreite Ihren Text gerade in meinem Umfeld.
Was allerdings fehlt, um den Text rund zu machen, ist der Blick auf die Gewalt gegen Kinder/Kindererziehung in Russland.
Hier ein Text dazu von mir (der sicherlich nicht vollständig ist): https://kriegsursachen.blogspot.com/2014/04/kindheit-in-russland.html
Dann verstehen wir, warum viele Menschen Putin folgen, stillhalten, erstarren, sich ohnmächtig fühlen, sich mit dem Aggressor identifizieren, „mitlaufen“ usw.
Die russische Gesellschaft ist eine zutiefst traumatisierte Gesellschaft. Das anzuerkennen und zu sehen bringt auch Chancen mit sich. Chancen auf Aufarbeitung und Heilung (deswegen sind Texte wie der Ihrige so wichtig!). Ergänzt um ganz simple „erste Schritte“ wie die Forderung nach einem gesetzlichen Verbot von Gewalt gegen Kinder in der Familie (bis heute in dem Land legal).
Hallo Frau Weisband!
Wir sind die neuen NGO Menschen vom GoodMag.de, einfach toll. Folgendes: Dürfen Wir dies so lassen?
https://goodmag.de/ein-versuch-einer-erklaerung-aus-russisch-ukrainisch-juedischer-perspektive/
Wir sind ja NGO! Also sowieso ist es nicht kommerziell, aber natürlich sind Links hierhin gesetzt. MfG.
Liebe Frau Weisband, ich möchte Ihnen hier dafür danken, dass Sie zur Zeit unermüdlich und so differenziert erklären, einordnen, antworten. Sie haben öffentlich gemacht, dass Ihre gesundheitlichen Ressourcen stark eingeschränkt sind und wie viel Kraft Sie jeder öffentliche Auftritt kostet. Dennoch wird es nur wenigen bewusst sein, welche persönlichen Opfer Sie dafür erbringen, um Ihren Leuten eine Stimme zu geben. Sie haben meine Bewunderung!
Liebe Frau Weisband, herzlichen Dank für Ihre äußerst wichtige Sicht der Dinge und der Fakten, ebenso. Es scheint für mich zwingend erforderlich, dass wir alle jetzt nicht dazu übergehen, alles was „russisch“ ist, zu hassen. Daher habe ich auch am 02.03.2022 im Kölner Dom vor der von mir einberaumten Schweigeminute für die Opfer des Krieges in der Ukraine, auch für die vielen Oppositionellen (u.a. auch viele Künstler) aufgerufen und gebetet. Ihre Betroffenheit, so wie erst gestern in „Hart aber Fair“ ARD, rührt auf, und ist Forbildfunktion. Wie kann man denn dieser Tage, und seit dem 24.02.2022 dazu übergehen, unser Leben, unsere Existenz als „normal“ anzusehen. Nichts wird mehr sein, wie es mal war. Nichts. Das schlimme daran ist nur, dass es sofort im Anschluss an diese fürchterliche Corona Pandemie (die ja noch lange nicht vorüber zu sein scheint), geschehen ist. Ich bin sehr gerne bereit eine/n Flüchtling bei mir in Münster aufzunehmen. Als Mitgleid der LGBTQI Community möchte ich auf diese Art und Weise sehr gerne sofortige Hilfe leisten. Aus Platzgründen kann ich leider nicht mehr aufnehmen und behausen. Falls jemand diesbezüglich mit mir in Kontakt treten möchte? Sehr gerne und jederzeit: bellinghaus@gmx.de.
Möge dieser schreckliche und tödliche Krieg so schnell enden, wie er begonnen hatte. Und ich hoffe dass die Ukraine schon sehr bald ein festes Mitglied der EU wird. Die Rede im EU Parlament von Präsident der Ukraine, Herrn Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj war nicht nur extrem charissmatisch und aufrüttelnd menschlich, sie hat mich zu Tränen gerührt und meine, unsere Machtlosigkeit gegenüber einem Despoten wie Hitler bewiesen.
STAND WITH UKRAINE!
Bedingungsloser Frieden für die Ukraine!
Moin. Danke für diesen lesenswerten Beitrag!
Ich habe mir erlaubt, ihn auf meiner Website zu verlinken.
Vielen Dank Frau Weisband. Ich bin in der UdSSR aufgewachsen und wohne inzwischen über 30 Jahre in Deutschland und kann Ihren Text meinen Empfindungen von damals zuordnen. Schade, dass viele Russlanddeutschen nicht gelernt haben die Wahrheit von gewohnten Propaganda zu unterscheiden. Aber Ihr Text erklärt hier einiges!
Treffender hätte man es kaum beschreiben können.
Aber lassen Sie mich ein Gleichnis hinzufügen:
Eine Frau möchte einen Kuchen für eine Familienfeier backen, dann merkt sie das Eier fehlen.
Also schickt sie ihren Mann und seinen Bruder welche zu kaufen. Beide gehen also in einen Laden
und kaufen die benötigte eine Schachtel Eier.
An der Kasse fragen sie zweimal ob die Eier auch wirklich Eier sind, die Verkäuferin nickt und sie bezahlen.
Auch der Hinweis das Eier zerbrechlich sind wird zur Kenntnis genommen.
Kaum aus dem Laden werfen die beiden die Eier an die Scheibe.
Die Verkäuferin rennt hinaus und stellt die beiden zur Rede.
Beide schauen sich an und der mit der leeren Schachtel sagt drohend zu Ihr – wir?
Wir haben doch keine Eier.
Wow. Ist das ein Original-Sowietwitz? Oder DDR? Oder Neo-Folklore? Auf jeden Fall vielschichtig. Hat auch was von Eulenspiegel oder auch von einem Zen-Koan. Bin voll drauf hängen geblieben und werde wohl noch einige Zeit drüber brüten.
Vielen Dank für die klaren Worte und die sehr anschauliche und absolut zutreffende Darstellung der russischen Mentalität. Viele Journalisten und sogenannte „Experten“ in deutschen Medien sollten Ihren Text zum Erkenntnisgewinnung lesen.
Der Klüngel mit dem Klerus dürfte auch ein nicht unwesentlicher Teil des Systems sein, hier mal die Non-Prosa Version des Punk-Gebets in der Erlöser-Kirche: https://www.youtube.com/watch?v=O4N8x0hvWYc&t=2360s
Arte hatte den Klüngel zwischen Klerus und Adel in Russland vor längerer Zeit in einer Dienstags-Doku ausführlicher beleuchtet, bestimmt wurde das schon wieder depubliziert, hoffentlich wird das neu ins Programm genommen.
Ein wirklich starker Artikel ! Für mich ist nicht alles unbekannt gewesen, aber vieles doch.
Eine veränderte Perspektive. Vielen lieben Dank !
Gruß , Robert
Wer dies vertiefen will, sollte das Buch von Pleitgen und Schischkin “ Frieden oder Krieg“ lesen, dabei reicht der Teil, den Schischkin geschrieben hat, völlig aus.
Danke Frau Weisband, für diesen Einblick! In der jetzigen Situation des „Geschockt-Seins“ hilft alles, was zu einem Verständnis und Einordnung beiträgt.
Gute Beschreibung des russischen Gemütszustands.
Das mit dem Anpöbeln von beliebigen Russen kann ich nicht ganz nachvollziehen. Welcher Deutsche kann Russen von Ukrainern unterscheiden? Die meisten von uns können nicht mal Polnisch einordnen.
Man muss sehr auf seine Gedanken aufpassen. Mir kamen gestern zwei Frauen entgegen. Sie unterhielten sich und mein Gedanke war „ist das vielleicht russisch?“ Wie absurd. Vor 3 Wochen hätte es mich nicht interessiert, in welcher Sprache sie sich unterhalten. Aber so beginnt Ausgrenzung.
> Man muss sehr auf seine Gedanken aufpassen.
Bekäme man nach der Geburt einen Beipackzettel für das eigene Leben, dieser Satz sollte sehr weit oben und fett gedruckt stehen.
Vielen Dank!!
Der Text erschien ursprünglich auf Twitter. Auch wenn man es natürlich nirgendwo tun sollte, ging der Autorin vermutlich darum, vermeintliche Russen online nicht anzupöbeln. Das geschieht leider.
Liebe Frau Weisband, ich habe heute „hart aber fair“ gesehen und denke wie so viele Menschen darüber nach was man tun könnte um den Krieg zu beenden, Zeichen für eine friedliche Lösung zu setzen. Ich kenne mich null aus, aber gäbe es die Möglichkeit Postkarten oder Briefe an den Kremel zu schicken??? Selbst wenn diese Friedenspost nicht bei Herrn Putin ankommen wird/würde auf dem Weg dahin würden Menschen die Post sehen …. also Post mit Bitten um Frieden, Friedenstauben, Sonnenblumen, Herzen, Gedichte, selbst gemalte Bilder usw …. Das mag nun alles sehr naiv klingen, bei all dem schrecklichen was da gerade passiert. Aber warum nicht das unmöglich Geglaubte versuchen????? Herzliche Grüße Monika Bernhart
Danke, liebe Marina,
deine Analyse ist sehr aufschlussreich und deckt sich mit meinen persönlichen Erfahrungen. Wenn sich jetzt noch jemand fragen sollte, wieso sich die Soldaten in Putins Armee überhaupt dazu hergeben, auf Angehörige eines Brudervolkes (bzw. oftmals: ihrer eigenen Nation!) zu schießen, dann muss man wissen, dass sie einerseits vollkommen falsch oder gar nicht informiert waren über die Ziele ihrer Mission – und dass die Entwürdigung und Entmenschlichung, die du so facettenreich beschrieben hast, in der Armee noch einmal potenziert wurde. Rekruten werden systematisch gebrochen, jegliches Nachdenken wird ihnen brutal ausgetrieben. Zu Sowjetzeiten sind viele Wehrpflichtige im Laufe ihrer dreijährigen Dienstzeit nicht ein einziges Mal nach Hause gelassen worden. Rohe Gewalt ist an der Tagesordnung…
Haben Sie Dank Frau Weisband für Ihre Darstellung der Denkmuster, welche mir als gebürtigem Mitteleuropäer so unverständlich erscheinen, für das Verstehen dieses Wahnsinns jedoch augenscheinlich die Voraussetzung sind!
Dankeschön für die Ausführungen
Das fasst sehr schön zusammen, was ich mir gerade in diversen Büchern zusammen lese… Danke.
Vielen Dank, der Beitrag war für mich sehr hilfreich, um besser zu verstehen.
Erinnert mich auch entfernt an die DDR die ich in Teilen nicht mitbekommen habe, wenn die Auswirkungen auch nicht ganz so krass waren. Schön zusammengefasst.
Danke für diesen Einblick.
Ich bin ein Freund von verschiedenen Russland- und Ukrainebekannten und liebe diese Länder, ihre kulturellen Impulse und ihre Menschen, die genauso sind wie in allen anderen Erdteilen
Liebe Marina
herzlichen Dank für ihren Artikel. Ich bin 70 Jahre alt und habe die DDR Repressalien tief in meinem Inneren vergraben. Dort ruhen sie , aber erwachen auch manchmal. Man muss mit der Vergangenheit leben, aber das persönliche Glück gab es auch.
Jeder Kriegstag ist ein Tag zu viel und fordert Menschenleben. Trümmer kann man beseitigen und Flüchtlingen helfen, aber nicht den Opfern des Krieges.
Geben wir die Hoffnung nicht auf.