Dies ist die schriftliche Version meiner monatlichen Kolumne bei Deutschlandfunk @mediasres. Hier anhören.

 

Kaum ein Thema spaltet meine persönliche Filterbubble so sehr wie die Frage, ob man nun mit Nazis zu reden habe oder nicht. Die einen betonen, dass man natürlich Dialog suchen muss und dass man nicht einfach ein Viertel der Gesellschaft ausschließen und isolieren kann, weil das zu weiterer Radikalisierung führe. Ein anderer Teil regt sich darüber auf, wie man auch nur in Betracht ziehen kann, mit Leuten zu reden, die sich den Tod anderer Leute wünschen. Dabei fällt mir immer wieder eines auf. Nämlich die unglaubliche Unklarheit dessen, von wem man eigentlich spricht. Oder zu welchem Zweck man „reden“ möchte.

Fragt man mich, ob ich dafür sei, mit Rechten zu reden, muss ich immer mit einigen Gegenfragen antworten. Würde ich mit VertreterInnen der AfD auf einem Podium sitzen? Bestimmt nicht. Würde ich beim Chanukka-Essen meiner Tante widersprechen, wenn sie sagt, dass die Muslime „unsere“ Kultur verderben? Auf jeden Fall.

Der Streit, wen man als Nazi bezeichnen solle oder dürfe, führt gerade zu weit. Aber es gibt ganz klar Menschen, die anderen Menschen kein Leben zugestehen wollen. Und es gibt Menschen, die erstere unterstützen. Und es gibt welche, die sich aus ganz anderen Gründen mulmig fühlen und dann auf Demos mit den ersteren gehen. Alle diese Menschen tragen zum Rassismus in Deutschland bei. Manche tun das aus Überzeugung, andere reflektieren nicht. Irgendwo auf diesem Spektrum sucht sich jeder das Ende seiner Toleranz.

Und dann die Frage: wozu mit Nazis reden? Vielleicht möchte ich jemanden davon überzeugen, dass Populisten seine Interessen nicht wirklich unterstützen. Vielleicht möchte ich jemandem rassistische Argumentationsmuster aufzeigen, weil ich glaube, dass diese Person im Kern anständig ist und nur Reflexion braucht. Reden als Versuch individueller Überzeugungsarbeit ist immerhin legitim.

Das öffentliche Reden (die Podiumsdiskussion oder die Talkshow) haben allerdings nicht wirklich Austausch zum Ziel. Sie sind ein Schaulaufen der Meinungen. Viele wollen mit Rechten im Fernsehen reden, um sie zu entlarven. Diese Strategie erweist sich allerdings als wenig erfolgreich. Die AfD wurde zum Teil nicht trotz ihres Rassismus gewählt, sondern deswegen. Je mehr wir versuchen, Nazis zu entlarven, desto mehr Plattform und Gehör bieten wir ihnen. Desto mehr Gelegenheit, eigentlich selbstverständliche Vereinbarungen zu hinterfragen. Der Diskurs schleicht so immer weiter nach rechts.

Und nein, die Gesellschaft muss nicht jedem seine Meinung gönnen. Um es mit den Worten von Karl Popper zu sagen: „Im Namen der Toleranz sollten wir uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren.“ Sonst zerstört eine freiheitliche Gesellschaft sich selbst.

Wenn Nazis der Meinung sind, dass ich verbrannt werden sollte, und ich der Meinung bin, dass… nicht – dann dürfen unsere Meinungen nicht gleichberechtigt nebeneinander stehen. Die Wahrheit liegt nicht irgendwo in der Mitte. Eine dieser Positionen ist ganz klar gesellschaftlich zu ächten.

Anders formuliert könnte ich auch sagen: mit den Menschen rede ich gerne, ihren Rassismus müssen sie aber draußen lassen. Gerade den Rassismus sollte man nicht mit Aufmerksamkeit belohnen. Reden wir darüber, was du WIRKLICH willst, aber sobald du rassistisch wirst, höre ich dir nicht zu.

Wenn ein Gauland in einer Talkshow sitzt, sitzt er da allerdings nicht als Mensch, sondern als Repräsentant seiner provokativen Meinung. Und da ich ja gerade mit dieser Meinung nicht reden will, gehe ich gar nicht erst hin.

Also, klar – man sollte mit Leuten, die in rechten Mustern denken und argumentieren reden. Besonders, wenn man privat mit ihnen zu tun hat.

Aber wir können mal langsam aufhören, Nazis beim Einkaufen zu begleiten und ihre Wohnungen zu besuchen, um mal die Meinungen der besorgten Bürger kennen zu lernen und zu hören. Wir haben sie in den letzten zwei Jahren bis zum erbrechen gehört, wir kennen alle ihre Parolen, alle ihre rhetorischen Winkelzüge. Vielleicht ist es auch mal Zeit, mehr den besorgten Menschen zuzuhören, deren Unterkünfte sie anzünden.