„Kannst du mir bitte ein Foto von dir schicken? Meine alte Schulkameradin hat gefragt, wie meine Tochter aussieht.“, bat meine Mutter am Telefon, als sie mich just aus der Dusche geholt hatte.
„Du hast doch tausende von Fotos von mir!“, antwortete ich genervt, während ich mir umständlich ein Handtuch umband und das Telefon zwischen Schulter und Kinn geklemmt hatte.
„Ja, aber keines ohne Kostüm. Ich will ein Foto zeigen, wie du normal aussiehst.“
Ich stockte. Ich hatte gerade die Türe meines Kleiderschranks geöffnet und sah hinein. Bunte farben, die meisten gehören zu langen Kleidern. Aus dem 15., dem 18., dem 19. Jahrhundert… Europa, Asien… alles dabei. Wie sehe ich eigentlich „normal“ aus?
Es ist schon wahr, seit ich ein kleines Kind bin, liebe ich es, mich zu verkleiden. Mein ganzes Leben ist ein großer, bunter Karneval. Ich lebe Schauspiel. Darum sammle ich natürlich auch Kostüme.
Aber sogar in meiner Freizeit, im Alltag, zur Uni zum Beispiel, kleide ich mich immer so verschieden…
Heute habe ich Lust, eine strenge Lehrerin zu sein. Morgen eine zarte viktorianische Dame, mit vielen Rüschen und langem Rock. Gestern war ich die aufreizende Frau im roten Minikleid.
Warum mag ich es eigentlich so, mich zu verwandeln?
Vor allem aber: Was ist es, was mich am Ende repräsentiert? Wie sehe ich üblicherweise aus, wenn ich nicht verkleidet bin, keine Rolle spiele? Kommt das überhaupt vor? Ich bin dieser Frage schon so oft nachgegangen.
Ich habe mal die Fotos auf meiner Festplatte genommen, und eine zufällige Auswahl davon in einer Collage zusammengestellt.
Klickt auf das Bild für die Tausend (18) Gesichter der Marina Weisband.
Ich suche also nun irgendwelche Fotos, die vielleicht so aussehen, als sähen sie mir den größten Teil der Zeit relativ ähnlich.
Identität fällt schwer.
Letzte Worte:
Vom Ball auf’s Rad, und schnell nach Haus
Im Ballkleid spüle ich Geschirr.
Ich lebe hier und lerne da,
Und wer entwickelt dies Gewirr?
Ein Improtanz, Improgedicht
Muss ich zum Besten geben.
Vielleicht ist auch ein Platz für dich
In meinem Improleben.
M. Weisband
Tja, ich schätze, es ist wohl einfach genuin ICH – die Lust am Verkleiden. Daran, sich als immer andere Person zu fühlen… sich immer in andere *hineinzuversetzen*.
Und darum geht es bei Psychologie ja auch. Vermutlich hat meine berufliche Laufbahn sehr viel mit dieser Vorliebe zu tun.
Und warum auch nicht. Es macht Spaß. 🙂
Es geht um die Du, die Du bist, wenn niemand dabei ist, und nichts mehr zu tun ist.
Wenn aller Erwartungen für heute erfüllt sind, und die für morgen nur morgen erfüllt werden können.
Diese Du ist die wirkliche Du- bei den Meisten jedenfalls.
Wenn Du Dich auch dann noch verkleiden willst, wenn Dich niemand außer Dir so sehen wird, bist das Du.
Alle Eigenschaften sind anerzogen, nur die, die Du nicht für andere oder zum Weiterleben brauchst, also die optionalen, sind Deine.
Letzendlich ist alles andere doch nur Fassade, aus Angst vor der Einsamkeit.
Allerdings bist Du ja hier die Psychologiestudentin, ich vermute ja nur 😉